„Umsatz ist eingebrochen“: Unternehmer wehren sich gegen Rottweiler Verkehrsversuch, Stadt ruft zu Geduld auf

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Rund drei Wochen währt der Rottweiler Verkehrsversuch nun. Jener, der die Innenstadt attraktiver machen soll, in dessen Rahmen der Friedrichsplatz umgestaltet wurde – wogegen sich niemand wehrt – und die Stadt Einbahnverkehr verordnete – wogegen es heftige Kritik setzt. Gewerbetreibende sind auf den Barrikaden. Die Stadt ruft dagegen weiterhin zu Geduld auf. Denn rund zwölf Wochen lang soll der Versuch, Stand heute, noch andauern. 

Wie Facebook doch die gute Kinderstube vergessen lässt: Zwischen Suchanzeigen für Zirkuskarten fragt die Administratorin der Seite „Stadtgeflüster Rottweil“ ganz wertfrei: „Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?“ und meint offenbar den Rottweiler Verkehrsversuch. Die Antworten fallen deftig aus. Die Nutzer gebrauchen Worte wie „abartig“, finden die neue Verkehrsregelung „zum Kot…“ oder insgesamt einfach „besch*****“. Der Bürgermeister solle gehen, fordert einer, außer Acht lassend, dass wir einen *Ober*bürgermeister haben und eine Bürgermeister*in*, und dass sich beide auf Entscheidungen des Rottweiler Gemeinderats als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger stützen können, zudem auf Verkehrsfachleute. Außerdem ist es ein Versuch. Die Stadt erklärt alles geduldig hier.

Die Geduld verloren hatten dem Vernehmen nach die Betreiber der Bäckerei Mink in der Waldtorstraße als die Ersten. Sie verlören 50 Prozent ihres Umsatzes viel von ihrem Umsatz*, ließen sie Kunden, darunter den Oberbürgermeister, bereits am ersten Tag des gerade eingeführten Verkehrsversuchs wissen. Einige Tage später legten sie über die Tageszeitung nach, „wir haben 20 Prozent weniger Umsatz„, heißt es dort.

Die Geduld verloren haben inzwischen bekanntlich auch die Betreiber des „Harp“, ebenfalls aus der Waldtorstraße.Stoppt den Verkehrsversuch„, fordern sie und sammeln seither Unterstützer. Die haben sie – auf ihrer Website fällt das Urteil über die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen in Rottweil, so sicherlich der Fachbegriff, ablehnend aus.

Jetzt hat auch die Betreiberin des „Potpourri“ in der Waldtorstraße die Geduld verloren. Sie habe sich anfangs auch auf den anstehenden Verkehrsversuch gefreut, sei begeistert gewesen von der Vision, dass mehr Menschen in die Stadt kämen und weniger Verkehr, sagt Jeannette Völker. Das habe sich geändert: „Die Idee ist schön, die Umsetzung eine Katastrophe.“ Ihr Umsatz sei um 50 Prozent eingebrochen. Kundinnen und Kunden, die sich früher in der Mittagspause ihr Essen To Go abgeholt hätten, „kommen jetzt nicht mehr zu mir“, so Völker in einem Offenen Brief, den sie auf Facebook geteilt hat. Wegen der Einbahnstraßenregelung müssten diese einen „Riesen Umweg“ fahren, das lohne sich nicht mehr. Auch würden Touristen sich nicht mehr zurechtfinden in Rottweil, hat Völker nach eigenen Angaben beobachtet. Diese seien froh, wenn sie dem Verkehrschaos entkommen könnten. Außerdem komme niemand mehr „mal eben schnell“ in die Stadt – denn das bedeute, dreimal mit der Kirche ums Dorf zu fahren. „Die Einzelhändler leiden richtig“, so Völker. Ihre Forderung: den Versuch frühzeitig abzubrechen.

Es ist wird klar: Der Waldtorort ist es, der bereits jetzt genug hat. Auch einige Autofahrerinnen und Autofahrer, aber deren Gebruddel wird die Stadt aushalten können. Doch imBereich oberhalb des Schwarzen Tores, wo jetzt Einbahnstraße Richtung Kapuziner und Heimburger ist und die Durchfahrt verboten in der Gegenrichtung, da findet Auflehnung statt. Wie die Leute vom Harp bereits vermutet haben, sei „die Gastronomie oberhalb des Schwarzen Tores anscheinend total vergessen“ worden. „Denn für uns bedeutet der Verkehrsversuch: mehr Verkehr, mehr Lärm, weniger Aufenthaltsqualität und weniger Gäste auf unserer Terrasse durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Erschwertes Auffinden unserer Gaststätten für Touristen und Auswärtige, die sich nicht auskennen …“

„Wir nehmen die Sorgen der Gewerbetreibenden im Waldortort sehr ernst und sind hier nach nur wenigen Tagen ins Gespräch gegangen.“ Das erklärt ein Sprecher der Stadtverwaltung auf Nachfrage. Der Brief der Potpourri-Wirtin habe daher noch vor der Anfrage der NRWZ im Rathaus bereits vorgelegen.

Um die Situation zu verbessern, habe die Stadt die Zone für kostenlose Kurzzeit-Parker („Brezeltaste“) auf die Parkplätze am Feuerwehrhaus ausgedehnt. Auch die Schrägparkplätze vor der „Torstube“ würden noch in Fahrtrichtung Schramberger Straße ummarkiert.

„Bereits im Vorfeld des Verkehrsversuchs haben wir verschiedene Aktionen geplant, um die Frequenz in der Stadt zu stärken und damit Handel, Gastronomie und Dienstleister zu unterstützen“, erklärt der Stadtsprecher weiter. Das Aktionsprogramm „Sommer in Rottweil“ und aktuell die Aktion „Rottweil hüpft“ gehörten dazu. „Zudem haben wir an den Samstagen das Busfahren und das Parken auf den innenstadtnahen Parkplätzen kostenlos gemacht.“

Die Verwaltung bittet jedenfalls um Geduld. „Der Verkehrsversuch befindet sich nach drei Wochen noch in der Anlaufphase. Wir gehen davon aus, dass sich die neue Verkehrsführung nach und nach einspielen wird“, heißt es seitens der Stadt. Erst dann werde der Verkehrsversuch auch die erforderlichen Daten erbringen, um verlässliche Schlussfolgerungen ziehen zu können und zu beurteilen, inwieweit die Konzeption trägt.

„Der direkte Draht zu den Gewerbetreibenden ist uns dabei sehr wichtig“, so der Sprecher der Stadt abschließend, „wir werden daher auch weiterhin den regelmäßigen Austausch suchen und unterstützen, wo es sinnvoll und möglich ist.“

 

*Eugen Mink, Betreiber der gleichnamigen Bäckerei, legt Wert auf die Feststellung, dass er niemals habe verlauten lassen, 50 Prozent seines Umsatzes durch den Verkehrsversuch verloren zu haben. Es sei vielmehr so gewesen, dass das Geschäft der Bäckerei am Samstag, 1. Juli, gewohnt gut angelaufen – und mit dem Beginn des Verkehrsversuchs zusammengebrochen sei. Daraus mag die Aussage entstanden sein, dass die Hälfte des Umsatzes weggebrochen sei.

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Autor/Quelle:Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung. 2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ. Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.