Beschämend schwach besucht war eine Informationsveranstaltung der Stadt zum Lärmaktionsplan, der im kommenden Jahr in Kraft treten soll. Er sieht unter anderem vor, dass auf der B 462 vom Autohaus Dold bis zur Grüne-Baum-Kurve künftig nur noch Tempo 30 gefahren werden darf.
Schramberg. Die Informationsveranstaltung war Teil des Verfahrens zur Verabschiedung des Lärmaktionsplans. Derzeit läuft die Offenlage des Entwurfs dieses Plans. Die Stadtverwaltung hatte mit vielen Besuchern gerechnet und die Aula des Gymnasiums als Veranstaltungsort gewählt. Aber da verloren sich zehn „normale“ Besucherinnen und Besucher.

Stärkste Gruppe: Die Verwaltung
Sieben Stadträtinnen und Stadträte von CDU, SPD-Buntspecht und Freier Liste waren fast so stark vertreten. Sie sind teilweise selbst Anlieger an der Oberndorfer Straße. Die größte Gruppe stellte die Stadtverwaltung mit Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr an der Spitze.
Verkehrsexperte Peter Koehler und sein Mitarbeiter Jonas Fehrenbach erläuterten (wie schon im Gemeinderat – wir haben berichtet) zunächst, dass es beim Lärmaktionsplan um die „verpflichtende Umsetzung gesetzlicher Vorgaben“ gehe. Sie hatten für die Stadt eine „Lärmkartierung“ aller Stadtteile erstellt. Das Ergebnis: 23 Prozent der Bevölkerung sind von hohen Immissionen (mehr als 55 Dezibel) und fünf Prozent von gesundheitsgefährdenden Immissionen (mehr 65 als Dezibel) betroffen.
Was tun?
Koehler nannte vier Möglichkeiten, um den Lärm zu mindern: Vermeidung (weniger Fahren), Minderung (Tempo 30, „Flüsterasphalt“), Verlagerung (Umfahrungen) und Schallschutz (Dämmung, schallschluckende Fenster).
In Schramberg wird es im Wesentlichen auf Tempo-30-Zonen hinauslaufen. Das ist schnell umzusetzen und kostet wenig. Die Pläne mit den Tempo-30-Zonen hatte die Verwaltung in der Aula aufgehängt.

Problem Oberndorfer Straße
Einige der Anwohner der Oberndorfer Straße meldeten sich mit Fragen zu Wort. So berichtete Waltraud Supiran von den Erschütterungen durch den Schwerlastverkehr, die zu Rissen in den Mauern führten. Auch die besten Lärmschutzfenster würden im Sommer nicht helfen: „Sie wollen ja auch mal lüften.“
Karl Pröbstle, der ebenfalls in der Oberndorfer Straße wohnt, berichtete, die Lärmschutzfenster hätten bei ihm sehr geholfen. Er fügte hinzu, dass das Tempolimit von 30 Stundenkilometern auf der Oberndorfer Straße messbar die Lärmbelastung um die Hälfte gesenkt habe. Das hänge insbesondere am geringeren Reifengeräusch.
Er wies darauf hin, dass die Lärmminderung nicht nur die Fenster, sondern auch Fassaden und Dächer betreffe. „Auch das ist förderfähig.“
OBin: Talstadtumfahrung nicht gefährden
Zu anderen Lärmschutzmaßnahmen meinte OB Eisenlohr, man wolle nichts unternehmen, was die Chancen der Talstadtumfahrung gefährde.
Stadtrat Mirko Witkowski (SPD-Buntspecht), der ebenfalls an der Oberndorfer Straße wohnt, griff dies auf. Man sei sich einig bei der Talumfahrung. „Wir sollten uns aber ehrlich machen. Jetzt geht es um kurzfristige Maßnahmen, die Talumfahrung ist langfristig.“ Man solle das eine tun, und das andere nicht lassen.
Auch er beklagte, dass man im Sommer wegen des Straßenlärms kaum lüften könne. Die Geschwindigkeitsbegrenzung wirke bei den meisten, aber leider nicht bei allen Autofahrern. „Es gibt immer welche, die an den Tagesrandlagen bewusst aufs Gas treten“, hat Witkowski beobachtet. OB Eisenlohr bestätigte, im Lärmaktionsplan gehe es um Maßnahmen, die schnell wirken.
Werden die Fahrtzeiten wirklich so viel länger?
Eine Bürgerin erkundigte sich nach den Fahrtzeitverlängerungen. Sie bezweifelte, dass die angegebenen Zahlen stimmen, denn es würde mit der Höchstgeschwindigkeit gerechnet, die aber schon heute keiner tatsächlich fahren könne. Der Zeitverlust werde sicher weniger gravierend ausfallen.
Fachmann Koehler erläuterte, man müsse mit Tempo 50 rechnen, das sehe die Verordnung so vor. Aber bei Tempo 30 verstetige sich der Verkehr, und das führe zu einer Lärmminderung. Richtig sei aber auch, dass sich nur etwa 85 Prozent der Autofahrer an die Vorschriften hielten.

Stoßstange an Stoßstange
Das Thema Verstetigung griff CDU-Stadt- und Ortschaftsrat Jürgen Kaupp auf. In Waldmössingen gebe es wegen der langen Tempo-30-Zone das Problem, dass gerade morgens die Autos „Stoßstange an Stoßstange“ durch den Ort fahren, und es keine Lücken für Fußgänger gebe, um die Straße zu überqueren. „Wenn man schneller fährt, gibt es immer mal ein Loch“, hat er beobachtet.
Ralf Rückert (Freie Liste) widersprach. Er habe die Erfahrung an der Oberndorfer Straße gemacht, dass man von den Seitenstraßen viel eher in die Oberndorfer Straße einbiegen kann, seit dort Tempo 30 gilt. Das Überqueren der Bundesstraße bei der H.A.U. sei aber immer noch ein Problem.
Für Waldmössingen kündigte Eisenlohr an, im Haushalt 2024 stünden 90.000 Euro zu Verfügung, um das Problem sichere Straßenquerung anzugehen. Tiefbau-Abteilungsleiter Konrad Ginter mache sich bereits Gedanken. An der H.A.U. habe es mehrere Verkehrsschauen gegeben. Verschiedene Varianten seinen in Vorbereitung, es werde aber „nicht ganz billig“, so Eisenlohr.

Ein Anwohner, der „zehn Meter von der Straße“ weg wohnt, bezweifelte die Zahlen der Verkehrszählung. Er habe vor Jahren Lärmschutzfenster beantragt und gerade mal eines genehmigt bekommen. Koehler wies darauf hin, dass neuere Programme deutlich mehr Aussicht auf Erfolg versprächen und riet, erneut einen Antrag zu stellen. „Es lohnt sich schon, mal nachzufragen.“
Auf eine weitere Frage nach den anderen Maßnahmen meinte Koehler, natürlich sei es gut, wenn man vom Autos aufs Fahrrad oder den Bus umsteige, oder wenn man lärmmindernde Reifen kaufe. Das werde aber wie das städtische Mobilitätskonzept im Lärmaktionsplan nur am Rande erwähnt, so Eisenlohr.
Pröbstle bat, doch positive Beispiele aus anderen Kommunen in den Plan mit auf zu nehmen. Koehler versprach, die Anregung aufzunehmen. Es gebe dazu auch Broschüren vom Bund und Land. Das Mobilitätskonzept werde sicher auch einen Effekt beim Lärm haben.
Der Zeitplan
Die nächsten Schritte beim Lärmaktionsplan sind nach der Informationsveranstaltung die Offenlage bis zum 15. Dezember. Bis dahin können Bürgerinnen und Bürger sowie „Träger öffentliche Belange“ eine Stellungnahme abgeben, zum Beispiel per E-Mail an stadtplanung@schramberg.de . Dann werden diese Stellungnahmen abgewogen, wie bei Bebauungsplänen.
Die endgültige Fassung kommt voraussichtlich im ersten Quartal 2024 wieder in den Gemeinderat zur Entscheidung.
Vor der Umsetzung, die am besten zu einem Fahrplanwechsel kommt, muss noch mit den Busunternehmern abgestimmt werden, weil sich die Fahrtzeiten ändern können. Mitte des Jahres gibt es kleinere Fahrplanwechsel, im Dezember jeweils größere. Die Tempo 30-Zone könnten dann also im Juni oder im Dezember 2024 kommen.

Man darf vermuten, dass sich dann die Leserbriefspalten und Facebookseiten mit giftigen Kommentaren all derjenigen füllen werden, die gestern die Chance vertan haben, sich einzubringen.
