Sechs Jahre lang ging’s gut, jetzt ist Schluss: Philipp Schumpp, Betreiber von Philipps Braumanufaktur, baute sich einen Betrieb auf. Allerdings in einem Wohngebiet, und das wird ihm nun zum Verhängnis. Die Gemeinde bezweifelt, ob ein persönliches Gespräch mit dem örtlichen Brauer noch sinnvoll erscheint. Das lässt die Bürgermeisterin den Gemeinderat entscheiden.
Man muss es schon so sagen: Die Bürgermeisterin von Zimmern ob Rottweil, Carmen Merz, hat Ärger mit Bürgerinnen und Bürgern. Da ist zum einen ein kleiner Kreis sehr namhafter Leute in der Gemeinde. Sie machen ihr nach einer für den Vermieter sehr unglücklich verlaufenen Vermietung einer Wohnung an Flüchtlinge Druck (dem sie sich widersetzt). Und da ist nun der Inhaber einer kleinen, aber feinen und in Bierkennerkreisen bereits anerkannten Braumanufaktur. Philipp Schumpp. Er versteht die Welt nicht mehr, vergleicht sich beziehungsweise seine Gründungs-Location mit der von Steve Jobs und gibt sich enttäuscht. Er schreibt etwa:
„1976 gründete Steve Jobs in einer Garage in Kalifornien ein Weltunternehmen. Seit 2019 braue ich in einer Garage in Deutschland Bier – und bekomme Ärger mit dem Bauamt.“ 🍺🤷♂️
Philipp Schumpp, PHILIPPS BRAUMANUFAKTUR
Schumpp erzählt: „Seit sechs Jahren betreibe ich meine kleine Brauerei gewerblich im Nebenerwerb – offiziell angemeldet, bei allen relevanten Stellen gemeldet: Handwerkskammer, Zoll, Versicherung, GEZ, Veterinäramt … Nur das Bauamt blieb außen vor.“ So habe „die Gemeinde zwar alles brav weitergeleitet – aber anscheinend nicht dorthin, wo es am wichtigsten wäre.“ Denn dieses Bauamt macht ihm nun seinen Worten zufolge Probleme. Nach fünf Jahren sei dort plötzlich jemand auf den Gedanken gekommen, dass seine Garage jetzt offiziell eine Nutzungsänderung braucht. Anlass sei ein Nachbar gewesen, der sich „über angebliche Emissionen beschwert hat“. Dem hält Schumpp entgegen: „Wer genau hinschaut, weiß, dass sich das hier alles in Grenzen hält.“
Es sei auch längst kein Geheimnis mehr, dass dort, in einem Wohngebiet nahe der Ortsmitte, Bier gebraut wird. „Seit Jahren bin ich regelmäßig in der Zeitung, es gibt Fassbieranstiche, Veranstaltungen“, sagt Schumpp und man sieht ihn bildlich vor sich, wie er den Kopf schüttelt. Jetzt werde aber so getan, als würde er mitten im Wohngebiet eine Großbrauerei betreiben.
In der Sache beiße sich zudem der Hund in den Schwanz, wie der Nebenerwerbsbrauer sagt, dessen Biere in den Regalen des gut sortierten Einzel- und Getränkehandels der Region stehen. Er erzählt: „Ich soll eine Nutzungsänderung beantragen, die ohnehin nicht genehmigt wird, weil es ein Wohngebiet ist. Und nun wurde ein Architekt angeheuert, der die Nutzungsänderung beantragte, und siehe da – abgelehnt.“ Er schließt resigniert: „Willkommen in Deutschland. 🇩🇪🍻 Steve Jobs hätte hier wohl nie den Apfel angebissen. 😉“
Am Freitagmittag meldet sich Schumpp bei der NRWZ und konkretisiert: „Links von meinem Haus war früher eine Logopädiepraxis und hinterm Haus grenzt schon ein allgemeines Wohngebiet an. In der Albstraße selbst, zwei Häuser weiter unten, befindet sich auch ein allgemeines Wohngebiet. In einem allgemeinen Wohngebiet wäre die Brauerei ohne Probleme zulässig.“ Die Brauerei an sich sei ein nicht störender Handwerksbetrieb und könnte als Ausnahme im reinen Wohngebiet zugelassen werden, sagt der Braumeister. Schließlich bekomme er keine Lkw-Lieferungen an Rohstoffen oder Ähnliches, weshalb hier keine Einschränkung des Straßenverkehrs eintreten werde. „Das Bauamt war letztes Jahr hier und hatte eine Bestandsaufnahme gemacht und hatte daraufhin gemeint, ich soll bitte eine Nutzungsänderung beantragen“, sagt er weiter. „Ich bin überzeugt: Hätte die Gemeinde der Nutzungsänderung zugestimmt, eventuell unter Auflagen, hätte die Sache einen anderen Verlauf genommen.“
Die NRWZ hat die Gemeinde Zimmern mit den Vorwürfen konfrontiert. Dort heißt es, man begrüße „grundsätzlich jede Form unternehmerischer Initiative – auch im Kleinen, wie sie im Fall der privaten Brauerei sichtbar wurde“. Dass das Projekt über mehrere Jahre Zuspruch erfahren hat, stehte zudem außer Frage.
Zugleich aber sei es Aufgabe der Gemeinde, bestehende Bebauungspläne und die darin getroffenen städtebaulichen Festsetzungen zu wahren. „Das betroffene Grundstück liegt in einem Bereich, der im rechtskräftigen Bebauungsplan ‚Spitaläcker I‘ als reines Wohngebiet ausgewiesen ist. In solchen Gebieten sind gewerbliche Nutzungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig“, heißt es in der Stellungnahme aus dem Zimmerner Rathaus.
Nun sei dem Gemeinderat tatsächlich bekannt gewesen, dass die Brauerei dort bereits seit mehreren Jahren besteht. „Gerade deshalb wurde beim Landratsamt auch ausdrücklich angefragt, ob eine befristete Duldung der Nutzung rechtlich möglich sei“, teilt die Gemeinde weiter mit. Man will sich für den Bierbrauer also eingesetzt haben. Doch: „Das Landratsamt hat dies mit Verweis auf die geltende Rechtslage abgelehnt.“
Der Gemeinderat habe daraufhin entschieden, „den Gebietserhaltungsanspruch für alle Bewohnerinnen und Bewohner im Plangebiet als maßgeblich anzusehen“. Im Klartext: „Aus Sicht des Gemeinderats müssen sich alle Anwohnenden darauf verlassen können, dass ein reines Wohngebiet auch dauerhaft ein solches bleibt – und nicht nachträglich durch Einzelentscheidungen gewerblich durchmischt wird“, schreibt die Gemeinde weiter.
Und das Landratsamt sei nach Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Genehmigung der Nutzungsänderung nicht erteilt werden kann, da die Grundzüge der Planung betroffen seien. „Die Gemeinde hat ihr Einvernehmen somit zu Recht versagt“, lautet das Fazit aus dem Rathaus.
Und am Schluss, auch das muss man so sagen, gibt die Gemeinde dem Bürger noch eins mit. In der Stellungnahme an die NRWZ schließt sie einigermaßen unversöhnlich: „Ob und in welchem Rahmen ein persönliches Gespräch mit dem Betreiber unter den gegebenen Rahmenbedingungen noch sinnvoll erscheint, wird aktuell im Gemeinderat beraten.“ Als könnte das ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin nicht selbst bestimmen.
