„Darf ich hier überhaupt fahren?“, oder: Rottweils Verkehrsversuch gestartet

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Rottweil. Bewusster Autofahren. Aufmerksamer. Nicht, wie die letzten Jahrzehnte, wie gestern und vorgestern auch, sondern überlegter. „Komme ich noch da oder dorthin, oder ist da jetzt gesperrt?“ „Sollte ich durch die Stadt oder lieber auf die Umgehung?“ Oder, ganz verwegen: „Nehme ich besser das Rad oder gehe ich zu Fuß?“ Das sind so Gedanken, die Autofahrer in Rottweil an diesem 1. Juli 2023 hegen und hegen sollen. Denn der sogenannte Verkehrsversuch ist gestartet.

Tatsächlich passiert: „Darf ich hier überhaupt fahren?“ Das ruft eine Autofahrerin an diesem Samstagmorgen einem Bekannten durchs offene Fenster zu. Der Bekannte bejaht, kein Problem, sie sei ja korrekt stadtauswärts auf der Hochbrücktorstraße unterwegs. Die mündet nun in ganz viele gelbe Linien, die Radfahrern Platz verschaffen sollen. Und Rechte.

Zur etwa gleichen Zeit in der Waldtorstraße: Der Verkehr fließt nur noch in eine Richtung, raus, Richtung Heimburger. Wer andersherum kommt – und vielleicht die Hinweisschilder übersehen oder ignoriert hat, kann hier jetzt am Waldhorn wenden. Dort ist so eine Art Rottweiler Wendehammer – am Hang gebaut.

Wer hier ausfährt beziehungsweise lang kommt, ist neuerdings Falschfahrer. Fotos: gg

 

Apropos Schilder übersehen: Gleich zwei Schilder „Verbot der Einfahrt“ – roter Kreis, weißer Querbalken –  stehen neuerdings am Kriegsdamm. Zahlreiche Autofahrer ignorieren diese. Oder übersehen sie schlicht. Was gestern ging, geht heute ja wohl auch. Im Minutentakt fahren sie falsch in die Innenstadt ein.

Dennoch: Es ist am Friedrichsplatz, wo diese Falschfahrer dann auf einem puren Radweg unterwegs sind, richtig ruhig geworden. Inzwischen ist es 13.15 Uhr, und für die Stadtverwaltung ziehen Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf und der Fachbereichsleiter Bauen und Stadtentwicklung, Rudolf Mager, ein erstes Fazit des gestarteten Verkehrsversuchs für die Vertreter der lokalen Presse. „Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich mal hier gestanden hätte, und mich in Ruhe unterhalten konnte“, sagt Ruf. Die kleine Gruppe steht am Kameleck. Dort ist es die vergangenen Jahre zu jeder Tageszeit laut und stickig gewesen. An diesem Samstagmittag tatsächlich nicht.

Klar: Es kommen weiterhin im Minutentakt Autos vom Kriegsdamm, deren Fahrerinnen und Fahrer die neue Einbahnstraßenregelung übersehen oder ignorieren. Aber eben im Minutentakt, ganz vereinzelt. Nicht als Blechlawine. Darauf angesprochen, erklärt Mager: „Wir sind bewusst nicht restriktiv.“ Soll heißen, man lasse die Autofahrer erst einmal machen. Die Polizei fahre allerdings immer wieder Streife. Die Beamtinnen und Beamten belehren dann die Falschfahrer, ein Ticket gibt es offenbar noch nicht. Zumal einmal der Streifenwagen in den wenigen Minuten, in denen die Presse und die Stadtspitze zusammenstehen, auch in der verkehrten Richtung den Friedrichsplatz entlang cruist. Ohne Blaulicht und Martinshorn.

Was Mager wichtiger ist: Er habe kurz zuvor ein Bild gemacht von einer großen Radgruppe, „das war gut“. Die Zweiradfahrer hätten bequem in die Innenstadt hineinradeln können.

Bis zum 15. Oktober bleibt das jetzt so. Außer am Blaulichttag. Da ist nochmal alles anders. Foto: gg

 

Seit diesem 1. Juli gilt’s. Ruf: „Die wesentlichen Stellen haben wir heute Morgen zwischen fünf und sechs aktiviert.“ Waldtorort, Friedrichsplatz, Nägelesgraben. Seither sind auch Mitarbeiter der Verwaltung bis ganz hinauf in die Rathausspitze unterwegs, um zu schauen, ob alles wie erhofft funktioniert. Ruf erzählt, er habe auch viele Gespräche auf dem Wochenmarkt, wo man ihn bekanntlich samstags trifft, geführt. Es gebe vereinzelt Kritik aber auch viel Zustimmung. Jetzt müsse man den Verkehrsversuch einfach mal laufen lassen.

Warum aber wird morgen, zum Blaulichttag, alles schon wieder anders?  Hätte man das nicht besser zeitlich aufeinander abstimmen können? „Wir wollten an einem Samstag beginnen“, antwortet Ruf. Und zum Kalenderstart des Julis. Es sei auch „ganz gut, dass man am Samstag gestartet ist“, nicht etwa an einem Montagmorgen, wenn alle zur Arbeit wollen. Es sollte an einem verkehrsärmeren Tag geschehen. Mager ergänzt auf Nachfrage, dass der Starttermin vor drei Monaten festgelegt worden sei. „Man muss einfach an einem Tag anfangen“, sagt er pragmatisch. Und es sollte vor den Sommerferien sein, „das war uns wichtig“. Es sei auch „nicht zielführend“, wenn man den Verkehrsversuch nur in der Ferienzeit mache, so Ruf. Es gebe jedenfalls „ganz viel positives Feedback“, das möchte der OB festhalten.

Und wenn es doch ein Versuch ist, wieso wird dann so viel umgebaut, gerade am Friedrichsplatz? Der soll ja Bus-Umstiegsplatz bleiben, auch über den Verkehrsversuch hinaus. Und es ist dennoch genug Platz für einen Zwei-Richtungs-Verkehr, wenn der wieder kommen sollte.

Natürlich gebe es ein paar Dinge, „die wir nachjustieren werden“, erklären beide Vertreter der Verwaltung. Man müsse jetzt beobachten, ob der Verkehr sich auf umliegende innerstädtische Straßen verlagere, zum Beispiel. Die Beschilderung werde auch auf Tauglichkeit geprüft. Man bliebe jetzt am Ball. Auf jeden Fall.

Der Sinn des Ganzen ergebe sich aber daraus, dass mehr Ruhe in die Innenstadt gekommen sei. Mager: „Wir wollen nicht einfach nur Autos verdrängen, sondern Flächen schaffen, um Menschen hineinzubringen.“ Deren Aufenthaltsqualität steigern. Was wiederum der Gastronomie und dem Einzelhandel zugutekommen soll. Und man wolle die Menschen zum Nachdenken bringen, ob sie die Strecke, die sie zurücklegen wollen, tatsächlich mit dem Auto fahren müssen. Oder durch die Innenstadt.

Jedenfalls ist dieser Test gut angelaufen, glauben Ruf und Mager: Dieser sagt: „Für das, dass es der erste Schultag ist, klappt es ganz gut.“

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https://test.nrwz.de/rottweil/es-wird-ernst-am-samstag-startet-der-rottweiler-verkehrsversuch/411027

https://test.nrwz.de/rottweil/verkehrsversuch-rottweil-geht-in-die-info-offensive/409782

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Autor/Quelle:Peter Arnegger (gg)
… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung. 2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ. Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.