„In Summe konfliktfrei“: Parkplätze in Rottweil vorübergehend besetzt – nun läuft die Diskussion

2.4Tsd. Aufrufe
Sonst parken hier zwei Autos, nun konnten sich einige Menschen dort bewegen: die Hochbrücktorstraße in Rottweil am Samstagmorgen. Foto: Peter Arnegger

Ein bisschen Improvisation zu Beginn, dann konnte der „Park(ing) Day“ am Samstag in Rottweil starten. In den meist belebtesten Stunden der Woche, während des Samstagmarkts, besetzten Radfahrfreunde und engagierte Bürgerinnen und Bürger öffentlichen Parkraum. Das ging „in Summe konfliktfrei“ vonstatten, wie es hieß. Allerdings läuft jetzt, im Nachgang, die Diskussion.

Ein SUV, ausgerechnet, parkte am Morgen noch rasch einen der eigentlich für die Aktion per Ausschilderung gesperrten Stellplätze zu. Wie mehrere Teilnehmende an der Aktion berichteten und wie der Ordnungsdienst der Stadt bestätigte, habe eine der reservierten Flächen verlegt werden müssen. Das sei aber das einzige kleine Problem gewesen. Insofern sei die Aktion „Park(ing) Day“ in Rottweil an diesem Samstag „in Summe konfliktfrei“ verlaufen, wie der ehrenamtliche Radfahrbeauftragte Gunnar Link der NRWZ vor Ort erzählte. Sein radfahrbegeisterter Mitstreiter Michael Bach vom ADFC bestätigte das. Unterdessen reparierten Teilnehmende Fahrräder, stellte ein Cartoonist seine Zeichnungen aus, lud das Forum für Rottweil zu Gesprächen ein und gab es mehrere Sitzgelegenheiten statt Platz für einzelne Blechkisten. Fünf solcher Stellplätze waren in der Hochbrücktorstraße reserviert und für ein paar Stunden besetzt worden.

Update: Radbeauftragter wehrt sich gegen Kritik.

Auf der Facebook-Seite der NRWZ äußern Nutzer Kritik an der Aktion. Sie wird als „völlig sinnfrei“ bezeichnet, jemand mahnt auch die Ungleichbehandlung von Radfahrern und Autofahrern an – erstere zahlten keine Steuern für den Straßenunterhalt (tatsächlich haben Experten einen volkswirtschaftlichen Nutzen des Rad- gegenüber dem Autofahren errechnen können). Eine Nutzerin erklärt:

Ich verstehe nicht, warum man als Autofahrer immer und überall drangsaliert wird. Man zahlt jede Menge Steuern, muss teuer tanken und bezahlt doch fürs Parken. Was würden denn die ganzen Geschäfte noch einnehmen, wenn kein Autofahrer mehr in die Stadt fahren und dort einkaufen kommen würde. Es kann nunmal nicht jeder mit dem Rad fahren. Dafür gibt es 100 verschiedene Gründe. Warum kann man sich nicht einfach gegenseitig akzeptieren und in Ruhe lassen.

Hierauf antwortet der ehrenamtliche Radbeauftragte Gunnar Link ebenfalls auf der NRWZ-Facebook-Seite wie folgt:

Eine kurze sachliche Einordnung dieser Aktion: Für 4 Stunden wurden 5 Parkplätze temporär „umgenutzt“. Das entspricht ungefähr einer größeren Umzugsaktion mit LKW. Oder wenn zwei, drei Verkaufswägen oder Foodtrucks Parkplätze belegen. Nichts Dramatisches, genehmigt und alles war entspannt. — Ziel der Aktion: Sich über die Nutzung von öffentlichem Raum Gedanken zu machen. Einen Diskurs anregen und anbieten. Manche haben dies genutzt. Mein subjektiver Eindruck heute: Solch eine Aktion zeigt wie lebendig der öffentliche Raum genutzt sein kann. Begegnung, Austausch, fröhliche Menschen, die zudem vor Ort konsumieren. Denn wer in der Stadt länger verweilt, kauft auch dort ein. Ein entspannter Vormittag.

Auch ein in der Hochbrücktorstraße angesiedelter Einzelhändler meldet sich zu Wort. Er lobt die Aktion des Parkraum-Besetzens ausdrücklich, lenkt den Fokus auf etwas anderes. So schreibt Modehändler Tobias Rützel, und erhält dafür viel Zustimmung:

Vielen Dank für das Beleben der Innenstadt, für diesen kurzen Zeitraum an den ADFC. Der Dank ist durchaus ernst gemeint. Weil es unter immer weniger Händlerkollegen durchaus herausfordernd ist, die üppigen Freiräume in der Hochbrücktorstraße kontinuierlich zu bespielen.

Heute haben viele Personen ehrenamtlich etwas Nettes auf die Beine gestellt. Dafür Parkplätze zu nutzen, ist natürlich nicht in meinem Sinne (klar, meine Befangenheit), Freiflächen gäbe es reichlich.

Kurzer Geschichtsexkurs:

Vor der Umgestaltung Rottweil Mitte 2010 gab es Wenzler, Max, Holland, Sanitätshaus Philipp, Café Lythi, Max, Becher und Blumen Zink, Commerzbank, BW-Bank, Drogeriemarkt Müller …

Durchweg alle dieser Kollegen mussten sich ohne Übertreibung 1000fach anhören, dass es bei der Stammkundschaft gar nicht gut ankommt, dass die Parkmöglichkeiten damals derart stark dezimiert wurden. Man gab sich jedoch kooperativ und nutzte die neu gewonnene Freifläche für Warenauslage und Bestuhlung.

Heute: Keines der Geschäfte existiert mehr! Davon 1 aus Altersgründen. Der Rest aus Frequenzmangel, trotz Tempo 20 und reichlich räumlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Und immer noch glauben einige Mitglieder des Gemeinderats, dass in einer Kleinstadt ohne soliden ÖPNV, insbesondere bei der Topografie Rottweils Verkehrsberuhigung zu Belebung führt.

Mindestens 250 Tage im Jahr ist unsere Fußgängerzone leer und man will es einfach nicht sehen, oder behauptet fahrlässig das Gegenteil. 

Die Diskussion auf Facebook

Bildergalerie

Zum Hintergrund: Park(ing) Day in Rottweil: Aus Parkplätzen werden grüne Begegnungsräume

Am Samstag, 28. Juni, fand in Rottweil erstmals der internationale Park(ing) Day statt. Ab 9 Uhr sollten Bürgerinnen und Bürger, Initiativen und Vereine ein paar der Parkplätze in der Hochbrücktorstraße in grüne Oasen und lebendige Begegnungsräume verwandeln, hieß es in einer Pressemitteilung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC).

Der Park(ing) Day ist ein weltweiter Aktionstag, der seit 2005 jährlich stattfindet und zeigt, wie aus monotonen Parkflächen kreative und kommunikative Räume entstehen können. Statt Autos sollen an diesem Tag Pflanzen, Sitzgelegenheiten und Gemeinschaftsgefühl die Straßen prägen.

„Unser Ziel ist es, Rottweil noch lebenswerter zu machen und zu zeigen, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn wir den öffentlichen Raum neu denken“, erklärte der ADFC Rottweil im Vorfeld. Die Aktion sollte Bürgerinnen und Bürgern verdeutlichen, wie viel Platz tatsächlich für Autos reserviert ist und welche Alternativen möglich wären.

Die Organisatoren luden alle Interessierten herzlich zur Teilnahme ein. Mitgebracht werden konnten etwa Pflanzen und Blumen, Klappstühle oder Picknickdecken, kreative Ideen und vor allem gute Laune. Neben Informationsständen sollte die Veranstaltung Gelegenheit bieten, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam zu erleben, wie sich das Stadtbild durch weniger Autoverkehr verändern könnte.

Teilen Sie diesen Beitrag
Mit "Pressemitteilung" gekennzeichnete Artikel sind meist 1:1 übernommene, uns zugesandte Beiträge. Sie entsprechen nicht unbedingt redaktionellen Standards in Bezug auf Unabhängigkeit, sondern können gegebenenfalls eine Position einseitig einnehmen. Dennoch informieren die Beiträge über einen Sachverhalt. Andernfalls würden wir sie nicht veröffentlichen. Pressemitteilungen werden uns zumeist von Personen und Institutionen zugesandt, die Wert darauf legen, dass über den Sachverhalt berichtet wird, den die Artikel zum Gegenstand haben.